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Torta del Casar, ein Schafskäse aus Extremadura
Zur Bereitung von Käse müssen wir die Milch zum Gerinnen bringen, das geschieht bei Süßmilchkäse mit Hilfe von Lab.
Das Lab ist meist aus dem Labmagen von Kälbern oder Lämmern, es kann aber auch von Pflanzen sein und wird dann oft als Labaustauschstoff bezeichent. Da strenge Vegetarier tierisches Lab zurückweisen, wird pflanzliches Lab bisweilen als „vegetarisches Lab“ beworben. Die Ausbeute ist im Allgemeinen etwas geringer als beim tierischen Lab.
In Mitteleuropa ist pflanzliches Lab weitgehend unbekannt. Selbst die großen Schweizer Käseexperten kennen es meist bestenfalls vom Hörensagen. Aber in Spanien und Portugal hat es große Tradition, regional auch in Italien. In der Toskana heißt es im regionalen Dialekt presura, was mit dem französischen Wort für „Lab“ verwandt ist. Ich habe es aus Spanien in die Schweiz eingeführt und dort damit professionell gearbeitet.
Berichten zufolge wurden in Mittel- und Westeuropa früher das Echte Labkraut und das Kletten-Labkraut verwendet. Die Rezepturen dazu sind leider nicht überliefert. Es gibt Personen, die erfolgreich damit experimentiert haben, aber das Ergebnis ist eher variabel und unsicher. Das Kraut dieser Pflanzen wirkt sowohl frisch als auch getrocknet.
Auch von Brennnesseln wird manchmal berichtet, sie bringen Milch zum Gerinnen; aber die Erfolge sind so langsam, dass eine praktische Nutzung kaum vorkommt.
Zur Dicklegung von Kamelmilch gibt es erfolgreiche Experimente mit Ingwer, Kiwifrüchten und Ananas.
Diejenige Pflanze, die in Spanien und Portugal verwendet wird, ist die Wilde Artischocke, ihre Griffel enthalten Cardosin A und B, zwei Enzyme, die Kasein spalten.
Während das Chymosin des tierischen Labs das α-Kasein an zwei Stellen spaltet, das β-Kasein an einer, spaltet Cardosin das α-Kasein an sechs Stellen, das β-Kasein an neun. Die sofortige Wirkung ist ähnlich: Die Milch gerinnt. Aber die Entwicklung während der Reifung verläuft dadurch anders.
Insbesondere in Spanien hat das Käsen mit pflanzlichem Lab Tradition.
Ich beschreibe hier, wie ich Käse mit pflanzlichem Lab mache. Das geht natürlich auch mit Kuhmilch, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, obwohl Kuhkäse mit pflanzlichem Lab kaum Tradition hat.
Das Prinzip geht genauso wie bei Käse mit kommerziellem Lab. Ein paar Dinge sind jedoch zu beachten.
Ich nehme ein halbes Gramm Griffel pro Liter Milch. Ich zerbreche sie in kleinere Stücke und gieße sie mit 40 °C warmem Wasser auf. Darin lasse ich sie über Nacht. Am Morgen seihe ich die Pflanzenteile ab, schütte das Mazerat in die einzulabende Milch, rühre es ein und bringe die Milch zum Stillstand.
Die Gerinnungszeit ist deutlich höher, als ich sie von kommerziellem Lab kenne. Da in dieser Zeit die Temperatur absinken kann, labe ich bei erhöhter Temperatur ein, etwa 35-37°.
Alles andere tue ich so, wie gewohnt: mindestens eine halbe Stunde vorher Kultur in die Milch, bei guter Konsistenz der Gallerte schneiden.
Auch mit der Kultur-Artischocke soll es funktionieren, aber etwas anders. Damit habe ich keine Erfahrungen.
Da der Milchsaft des Feigenbaumes Ficin enthält, das Milch zum Gerinnen bringt, verwendet man mancherorts Feigenzweige, um geronnene Milch zu gewinnen. Für gereiften Käse ist dies offenbar nicht geeignet, aber man isst gerne die Gallerte als solche. Oder man macht Frischkäse. Schon Homer erwähnte diese Nutzung des Feigenbaumes in der Ilias, und auch Aristoteles nannte sie.
Name in anderen Sprachen:
(en.) plant rennet, (span.) cuajo vegetal, (katalan.) quall vegetal, (fr.) présure végétale, (it.) caglio vegetale, (toskan.) presura, (ru.) растительный реннин
Literatur:
Janzing, Gereon: Pflanzliches Lab. In: zalp, Zeitschrift der Älplerinnen und Älpler 2017: 56f (online zu finden hier).
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